Tiere trauern. Wie wir? Oder können wir gar von ihnen lernen?

Tiere trauern. Authentisch und frei von Scham. Sie geben sich ihrer Trauer hin. Es war ein lang gehegter Irrglaube, dass Tiere den Tod eines geliebten Gefährten nicht verstehen.

Auch wenn ihnen der Kontakt zu verstorbenen Seelen oft leichter fällt als uns, vermissen sie die physische Nähe enorm. Sie fühlen Einsamkeit und hadern mit dem Schicksal. Ihr Schmerz ist echt und tief, und ihre Art, ihn auszudrücken, kann uns vieles über die Natur der Trauer lehren. Indem wir die Trauer der Tiere erkennen und respektieren, können wir unser eigenes Verständnis von Trauer vertiefen. Was bedeutet es wirklich zu trauern? Wie können wir unseren eigenen Schmerz authentisch und ohne Scham leben, so wie es Tiere tun? Und wie können wir die Gesellschaft dazu bringen, Trauer in all ihren Formen zu akzeptieren und zu unterstützen?

Forschungen haben gezeigt, dass viele Tiere, darunter Hunde, Katzen, Elefanten und Primaten, ähnliche Trauerreaktionen wie Menschen aufweisen. Diese Reaktionen umfassen Verhaltensänderungen, Depressionen und Rückzug. Wissenschaftler haben erkannt, dass diese Trauerreaktionen komplexe soziale Bindungen und emotionale Intelligenz der Tiere bestätigen. Tiere erleben Verluste wie wir nicht nur physisch, sondern ebenso emotional.

Elefanten: Die sanften Riesen

Elefanten sind bekannt für ihre starken familiären Bindungen und ihre beeindruckende Intelligenz. Sie zeigen deutliche Anzeichen von Trauer, wenn ein Mitglied ihrer Herde stirbt. Es gibt zahlreiche dokumentierte Fälle, in denen Elefanten tagelang bei den sterblichen Überresten eines verstorbenen Artgenossen verweilen. Sie berühren und riechen die Knochen, sie versuchen, den Verlust zu begreifen. Diese Szenen, in denen Elefanten ihre Köpfe sanft gegen die Überreste drücken, erinnern uns daran, dass auch Tiere eine tiefe emotionale Verbindung und ein Verständnis von Tod und Trauer haben.

Die Geschichte von Koko

Koko, die Gorilladame, die für ihre Fähigkeit zur Gebärdensprache bekannt wurde, zeigte eine eindrucksvolle Reaktion auf den Tod ihrer Katzenfreundin All Ball. Koko trauerte sichtbar und kommunizierte ihren Schmerz und ihre Angst vor dem Tod durch Gebärden. Sie zog sich zurück, weinte und schien in eine tiefe Depression zu fallen. Diese Reaktionen zeigen, dass auch Gorillas komplexe emotionale Zustände durchleben und den Tod ähnlich wie Menschen verarbeiten. In ihren Augen spiegelte sich der Schmerz wider, den viele von uns nachempfinden können, wenn wir einen geliebten Menschen verlieren.


Maori – ein tieftrauriger Hund

Maori, unser Hund, der nach dem Tod ihres Gefährten Indio in tiefe Trauer verfiel, zeigt, wie intensiv Haustiere trauern können. Maori verweigerte tagelang Futter und Wasser, zog sich zurück und zeigte keinerlei soziale Interaktion. Sie konnte ihren Urin nicht mehr halten und winselte ständig. Maori trug Leckerlis, die sie bekam, in den Garten an den Platz, an dem Indio starb. Diese tiefe Trauer führte sogar dazu, dass Maori sich entschied, selbst zu sterben. Ihr Schmerz war so überwältigend, dass sie keine Lebensfreude mehr fand. Erst durch ein starkes Ritual, an dem über 20 Personen und Tiere teilnahmen, konnte Maori wieder mit der Erde verbunden werden. Nun, einige Wochen später zeigt sie noch immer Trauer, hat aber auch wieder fröhliche Momente. Maoris Geschichte ist eine eindringliche Erinnerung daran, wie tief die Bindungen zwischen Tieren und ihren Gefährten sind und wie wichtig es ist, ihnen in Zeiten der Trauer zur Seite zu stehen.

Kühe: Der Schmerz der Mutter

Kühe sind sanfte, fürsorgliche Tiere, die tiefe Bindungen zu ihren Kälbern aufbauen. In der Milchindustrie wird diesen Mutter-Kind-Bindungen oft ein grausames Ende gesetzt, indem die Kälber kurz nach der Geburt von ihren Müttern getrennt werden. Diese Trennung verursacht bei beiden immense Trauer. Kühe, denen man ihre Kälber entreißt, zeigen deutliche Zeichen von Verzweiflung und Kummer. Sie rufen nach ihren Jungen, wandern unruhig umher und können sogar Anzeichen von Depression und Apathie entwickeln. Der Schmerz dieser Trennung ist sowohl physisch als auch emotional spürbar und verdeutlicht, wie stark der mütterliche Instinkt und die Bindung zwischen Mutter und Kalb sind.

Die Entfremdung von Mutter und Kalb hinterlässt tiefe Wunden. Die Mutterkuh trauert oft tagelang, manchmal sogar wochenlang, und gibt suchende, klagende Laute von sich. Diese Trauer zeigt uns, wie wichtig und tief die emotionalen Verbindungen zwischen Tieren sind und wie grausam es ist, diese Bindungen zu ignorieren oder zu zerstören.

Was wir aus der Trauer der Tiere lernen können

Die Geschichten von trauernden Tieren lehren uns, dass Trauer ein universelles Gefühl ist, das über die menschliche Spezies hinausgeht. Sie zeigen, wie wichtig es ist, Trauer zu erkennen und zu respektieren – bei Menschen und Tieren. Trauer ist ein Prozess, der Unterstützung und Gemeinschaft erfordert.

In vielen Naturvölkern sagt man, um ein Kind zu erziehen, braucht man ein Dorf. Das Gleiche gilt für die Trauer. Maori konnte nur durch die kollektive Unterstützung und das Ritual ihrer Gemeinschaft wieder einen Weg zurück ins Leben finden. Diese Geschichte zeigt, wie kraftvoll gemeinsame Trauer und Rituale sein können und dass niemand allein durch den Schmerz gehen muss.
Tiere lehren uns viel über die Tiefe und Komplexität von Emotionen. Ihre Trauer zeigt uns, dass wir nicht allein sind in unserem Schmerz und dass das Erleben und Verarbeiten von Verlust ein grundlegender Teil des Lebens ist – für alle Lebewesen.

Indem wir die Trauer der Tiere anerkennen und respektieren, können wir auch lernen, besser mit unserer eigenen Trauer umzugehen und eine unterstützende Gemeinschaft für alle Trauernden zu schaffen.

Lasst uns eine Welt schaffen, in der jede Form der Trauer ihren Platz hat, in der jede Träne gesehen und jede Trauer respektiert wird. So können wir sicherstellen, dass niemand, egal ob Mensch oder Tier, in seinem Schmerz allein bleibt.

(Julia Cattai)